Alltag
Der Oktober ging relativ ruhig vorüber. So langsam bin ich im Alltag drin…Da ich innerhalb der Woche mit den 800 Outreach- Kindern und meinen 24 Schülern genug zu tun hatte und meine Zeit von 8 Uhr morgens bis 21 Uhr abends in der Schule verbrachte, brauchte ich die Wochenenden zum erholen. Auch meine Infektion, über die ihr sicherlich schon in meinem vorherigen Artikel erfahren habt, schleppte ich mit in den Oktober. Diese zog sich auch noch über die nächsten zwei Wochen hin und so wirklich besser ging es mir nicht. Als eine Mitfreiwillige sicherheitshalber einen Malaria- Test machen wollte, begleitete ich sie, da ich mich ja schon ein wenig auskannte. Dort traf ich meinen Arzt an, welcher auf eine erneute Untersuchung bestand. Diesmal nur 3h später verließ ich das Krankenhaus mit 8 Medikamenten und konnte nach einer Woche eine deutliche Verbesserung feststellen. Somit verbrachte ich meine ersten zwei Oktoberwochen mit einer Mischung aus sich langweilen und in der Schule durch den Tag schleppen. Ich nutzte die Zeit zuhause und probierte mich im Brot backen aus. Zwar hatte ich nur Weizenmehl und keine Körner zur Verfügung, aber es war immer noch besser als süßes Toastbrot. Leider hat das Brot meinen Mitbewohnern so gut geschmeckt, dass egal wie groß ich es auch backte, es nie länger als 4 Tage hielt. Außerdem nahm ich das Projekt Garten endlich in Angriff. Dabei bekam ich von Hussein, ein netter älterer Herr dessen Job wir noch nicht so ganz durchschaut haben, Unterstützung. Wir suchten eine geeignete Stelle und befreiten sie von jeglichem Bauschutt und Plastik. Dann beschaffte er mir geeignete Erde und ich verteilte sie. Als es dann ums einsähen ging, fiel mir auf, dass wir gerade mitten in der Regenzeit stecken. Seitdem bin ich noch am zweifeln, ob ich es wagen soll. Regenzeit ist hier nicht ganz so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Jeden morgen regnet es für 2-3 Stunden und am Nachmittag noch einmal sehr stark für 20 Minuten. Doch auch außerhalb der Regenzeit ist es normal, dass es zweimal wöchentlich stark regnet, wenn auch nur kurz. Während des Regens gehen die Temperaturen auf circa 18 Grad Celsius herunter, doch innerhalb weniger Minuten danach erreichen sie wieder 25- 30 Grad Celsius. Somit trocknet deine Jeans in wenigen Minuten, auch wenn du komplett durchnässt wurdest. Früher sahen die Witterungsverhältnisse jedoch ganz anders aus. Noch vor 10 Jahren gab es in der Regenzeit täglich zweimal Niederschlag, nachdem man sich die Uhr stellen konnte. Auch kamen die Regenzeiten immer zur gleichen Zeit im Jahr. Diese haben sich nun schon über 2 Monate verschoben und sind enorm unregelmäßig geworden. Andere Monate sind dafür übermäßig heiß und die Bevölkerung kann sich nicht mehr so auf das Wetter verlassen wie sie es früher taten. Viele Menschen die ich bei meinen Spaziergängen traf, erzählten von den neuen Herausforderungen und ich war erschrocken, wie sehr der Klimawandel hier zu spüren war. Und nicht nur für den Ackerbau ist es schwierig, viele berichteten mir, dass die Mango-, Guave- und Avocadoernte enorm darunter leidet. Viele dieser Bäume sind über Jahrzehnte alt. Demzufolge sind sie unter anderen Wetterverhältnissen groß geworden und haben ihren Jahreszyklus danach gerichtet. Durch meine Spaziergänge bin ich mehr in den Kontakt mit den Leuten vom Land gekommen und ein guter Freund hat mir die Flora Ugandas näher gebracht. Somit habe ich nicht nur die verschiedensten Gemüse- und Obstpflanzen kennengelernt, sondern mir wurden auch die anderen Pflanzenarten und ihre Nutzung erklärt. Ich finde es ziemlich erstaunlich, dass nahezu jede Pflanze für etwas verwendet wird egal ob für Baugerüste, zur Herstellung von Kleidung oder zur Markierung der Grundstücksgrenzen. Da mein Freund John nicht nur leidenschaftlich traditionelle Instrumente spielte, sondern sie auch selber baute, wurden mir natürlich auch die dafür verwendeten Pflanzen gezeigt. Da ich somit viel Zeit in der Natur verbrachte und meine Umgebung ein wenig erkundete, verfolgte mich der Gedanke einer Fahrradanschaffung mehr und mehr. Auch habe ich den Fahrradladen mehrmals besucht, doch da die Räder erst nach dem Kauf repariert werden, stellte sich dies ein wenig schwierig an. Aber ich bleib dran… Bei meinen wöchentlichen Hausbesuchen wurde mir die regionale Küche näher gebracht. So lernte ich, wie man Samosa, Chapati und Casava zubereitet. Die durch das “traditional Instrument” spielen entstandene Hornhaut scheint vorallem von der Zubereitung von Chapati sehr hilfreich zu sein. Dies durfte ich live erleben, als mit der Hand ständig in die offene Flamme und in die Pfanne gegriffen wurde. Dafür muss ich dann doch noch ein wenig mehr Djembe üben…
Outreach
Durch die Outreach- Schulen hatte ich nochmal einen intensiveren Kontakt mit den Kindern, konnte den Schulalltag näher miterleben und gleichzeitig auch die sozialen Strukturen in diesem Land. Zu Beginn aber vielleicht erst einmal ein kleiner Exkurs in das ugandische Bildungssystem zum besseren Verständnis. Die Kinder beginnen mit 2-3 Jahren an der Nurseryschool, welche vergleichbar mit einem Kindergarten ist, jedoch mehr Selbstständigkeit erfordert. Die Schüler haben gerade erst laufen gelernt und müssen jeden Tag ihren einstündigen Schulweg in Uniform antreten. Auch der Alltag ist nicht, wie in Deutschland gewohnt, auf das spielerische Lernen ausgerichtet, sondern der Frontalunterricht zählt zu der Lernmethode. Im Alter von 6 Jahren kommt man auf die Primaryschool, in der ein grundlegendes Wissen aufgebaut werden soll. Nach 7 Jahren gehen die Schüler auf die Secondaryschool. Die Sekundarstufe I besteht aus 4 Schuljahren, an deren Ende die Schüler Prüfungen auf Ordinary-Level in mindestens 8 und höchstens 10 Fächern ablegen. Die Sekundarstufe II besteht aus 2 Schuljahren, an deren Ende die Schüler in mindestens 3 Fächern Prüfungen der Oberstufe ablegen. Obwohl jedes Jahr 60.000 bis 70.000 Schüler in Uganda die Sekundarschule mit der Qualifikation für ein Hochschulstudium verlassen, finden nur etwa 35 Prozent von ihnen einen Platz aufgrund begrenzter Anzahl an Institutionen. Außerdem ist nicht zu vergessen, dass auch dies alles eine Frage des Geldes ist, da die Schulgebühren nicht gerade billig sind. Nicht zu vergessen, die offizielle Landessprache Ugandas ist Englisch, weshalb auch ausschließlich darauf unterrichtet wird. Es werden jedoch im ganzen Land über 70 verschiedene Sprachen gesprochen. Somit müssen die Kinder in der Schule eine neue Sprache lernen und werden ausschließlich in dieser Fremdsprache unterrichtet. Dies ist eine Hürde, mit der ich in Deutschland nicht zu kämpfen hatte. Aber nun zurück zu meiner Arbeit an ugandischen Schulen. Outreach bedeutet, dass wir mit dem mehr oder weniger funktionierenden IMLS Van zu umliegenden Schulen fahren und dort Musikunterricht geben. Neben Instrumentalunterricht bieten wir noch Musiktheorie, Chor und traditionelle Instrumente sowie Tänze an. Eine unserer Schulen liegt etwas außerhalb von Nyendo und wir fahren ca. 30 Minuten. Das liegt unter anderem daran, dass man auf dem Weg an 5 Tankstellen hält und 2 mal den Reifendruck wieder erhöhen muss. Sie gehört zu den einfacheren Schulen und muss für ihr Programm nicht bezahlen. Die Räume sind eher sporadisch und es laufen (oder krabbeln) Kinder im Alter von 2 bis 13 Jahren umher. Wir kommen immer von 14- 16 Uhr zum Unterrichten. Die Konzentration der Kinder ist nach 6h Unterricht jedoch kaum noch vorhanden und es ist mühsam, diese mit kleinen Rhythmusspielen wiederherzustellen. Manche Kinder schlafen auf ihren Schulbänken ein, andere machen nur solange mit, wie du ihnen deine gesamte Aufmerksamkeit schenkst… Dass es in Uganda große Unterschiede zwischen den Schulen gibt, ist mir besonders im Vergleich zu einem anderen Outreach- Projekt aufgefallen. Es ist eine Primary- and Secondary Boardingschool (Internat). Dort unterrichten wir von 8 Uhr morgens bis 14 Uhr. Die Kinder sind deutlich konzentrierter, was unter anderem an der Tageszeit liegt. Jedes Kind übernimmt Wochenweise eine bestimmte Aufgabe und trägt somit Verantwortung. Es gibt einen geregelten Tagesablauf, an dem man sich nach ugandischem Zeitmanagement auch mehr oder weniger hält. Mir ist schon öfter aufgefallen, dass Disziplin und Strebsamkeit für Uganda in der Erziehung an erster Stelle stehen. An dieser Schule wird dies jedoch mit Strafarbeiten und nicht ausschließlich mit dem Stock erzielt. Auch der kindgerechte Alltag und die 3 Mahlzeiten am Tag spiegeln sich in der Aufnahmefähigkeit der Kinder wider. Denn es sind nicht nur die Räumlichkeiten und Lehrkräfte, die die Unterschiede ugandischer Schulen ausmachen, sondern primär die Lebensumstände der Kinder, die sich auf ihre Lern- und Bildungsprozesse auswirken. Durch die Outreachprogramme ist mir wieder bewusst geworden, wie sehr der Klassismus im Bildungssystem sowohl im individuellen als auch, und vor allem, auf institutioneller Ebene stattfindet. Durch diese Strukturen ist es für Kinder aus sozial schwächeren Familien viel schwieriger, fast unmöglich zu studieren und einen gut bezahlten Job zu bekommen.